· 

Traubenreicher Geheimtipp im Mittelmeer - das Weinland Malta

Maltesische Weinidylle
Maltesische Weinidylle

Wenn es eines gibt, was man sich im Zusammenhang mit Malta nicht vorstellen mag, dann ist es wohl eine reichhaltige Weinkultur. Das gesamte Kernland der im Sommer ohnehin viel zu hitzigen Insel misst kaum mehr als die Weinanbauflächen Badens und Württembergs zusammen, von den klimatischen Bedingungen mag man bei mehr als 30 Grad im Schatten erst gar nicht anfangen und beim Blick in die sommerliche Ödnis bräuchte es schon einiges an Vorstellungskraft, um dieser wunderschönen Insel eine nennenswerte Reblandschaft anzudichten. Doch manchmal bleiben die Wege der altehrwürdigen Kletterpflanze eben unergründlich - erst recht, wenn sich die Reben auf verschlungenen Pfaden auch den Weg nach Malta bahnen. Tatsächlich ist der kleine Inselstaat nicht gerade spärlich durch den vielgeliebten alkoholischen Traubensaft gesegnet: Auf einer Fläche von 1000 Hektar produziert man im Mittelmeer seit einigen Jahrzehnten sogar international prämierte Edeltropfen, gleich mehrere Traditionsbetriebe kümmern sich heute um das reiche Erbe des lokalen Weinanbaus. Kurzum gesagt: Der Wein; er lebt auch im Mikrostaat Malta - und das erfolgreicher denn je zuvor! 

Georges Meekers mit dem ganzen Stolz der Malteser: Die Three Cities im Hintergrund, der Wein im Glas.
Georges Meekers mit dem ganzen Stolz der Malteser: Die Three Cities im Hintergrund, der Wein im Glas.

Nicht ganz unbeteiligt am Aufstieg der maltesischen Inseln in die europäische Beletage des Weinanbaus ist indes ein Traditionsbetrieb aus Valletta, der das Siegel eines "kleinen Familienbetriebs" schon lange hinter sich gelassen hat. Die Delicatas, einst eine wohlhabende Familie aus dem maltesischen Medizingeschäft, starteten Anfang des 20. Jahrhunderts zunächst als verrückte Hobbywinzer in einigen privaten Weingärten durch. Doch die Leidenschaft für das weiße und rote Trinkgold schaffte schon bald den Sprung aus der Nische eines einfachen Hobbys für Wohlhabende heraus: Großvater Emmanuel, bis heute der eigentliche Namensgeber des Unternehmens, wagte wenige Jahre später den mutigen Schritt zum weinzentrierten Landwirtschaftsbetrieb und kehrte den Medizinpraxen dieser Welt den Rücken zu. Damit legte er den Grundstein für eines der renommiertesten Weingüter der Insel, dessen heutige vierte Generation auf internationalen Preiswettbewerben regelmäßig die kritischsten Jurys vom maltesischer Qualitätsarbeit im Weinberg des 21. Jahrhunderts zu überzeugen weiß. 

 

Wein mit Ambiente: Das Weinfestival der Delicatas zieht seit 2000 Weinbegeisterte in die Hauptstadt.
Wein mit Ambiente: Das Weinfestival der Delicatas zieht seit 2000 Weinbegeisterte in die Hauptstadt.

Für meine geschmackstechnische Entdeckungsreise in die maltesische Weinwelt hätte ich mir indes keinen besseren Menschen auswählen können als den, der mir all diese verwunderliche Begebenheiten begeistert schildert. Mein Gegenüber, Georges Meekers, passt zu seinem Arbeitgeber, der Familie Delicata, wie der Korken auf eine gut gereifte Champagnerflasche: Er ist merkbar wissbegierig, maltesisch herzlich und hat doch einen ganz besonders atypischen Werdegang vorzuweisen. Meekers selbst entspringt keiner alteuropäischen Winzerdynastie oder gar dem maltesischen Weinadel. Der gebürtige Belgier ist ein klassischer Fall von Autodidaktik par excellence, der die fehlende Berufserfahrung als Quereinsteiger schnell mit Herzblut und Leidenschaft wettmachen konnte. Heute zweifelt auf Malta keiner mehr an der Expertise des hochgewachsenen Mannes, die er seit 2000 exklusiv der Familie Delicata zur Verfügung stellt. Als Head of Marketing and Sales, vergleichbar mit einem deutschen Marketing- und Verkaufschef, ist er im Weinimperium der Delicatas für den kaufmännischen Bereich verantwortlich, selbst sieht er sich insbesondere in der Rolle des passionierten Botschafters für das renommierte Weingut.

Der erste Hang zum Wein entwickelte sich für den heute 54-Jährigen bereits in jungen Jahren - ursprünglich aus einer gewissen Aversion gegen die sonst gern als belgisches Nationalgetränk Nummer 1 titulierte Spirituose. "Mein Großvater hatte eine Kneipe und der permanente, sehr penetrante Biergeruch schreckte mich schon als junger Mann ab. Da habe ich mich eben dem Wein zugewandt", erklärt Meekers seinen frühen Entschluss für die Welt der Trauben und Reben. Ein Entschluss, der später beinahe noch zu einer Lebensentscheidung werden sollte.

 

Erst einmal trieb es den jungen Belgier jedoch ins Tourismusgeschäft. Jahrelang blieb der Wein nur ein seltener Genuss für die Abendstunden, während Georges Meekers tagsüber Besuchern aus der ganzen Welt die maltesischen Inseln als Augenschmaus schmackhaft machte. "Dann entschloss ich mich aber aus einer Laune heraus, die vielen maltesischen Weingüter einmal intensiv zu besuchen und zu betrachten. Ich betätigte mich zunehmend journalistisch auf dem Gebiet und endete schließlich bei meiner Berufung, von der ich nie gedacht hätte, dass sie mir einmal Geld zum Leben einbringen könnte: Die Arbeit für Delicata." Genau deswegen sitzt er an diesem lauen maltesischen Sommerabend nun hier, in der VIP-Lounge des hiesigen Weinfestivals, das mit lässiger Musik und vielen guten Tropfen feucht-fröhlich den baldigen Beginn der Weinlese zelebriert. Ein Blick in seine begeisterten Augen, ein aufmerksames Lauschen der Geschichten, die er begeisternd zu erzählen weiß und der stille Beobachter mag erahnen: Georges Meekers hat auf Malta einen echten Traumberuf gefunden.     

Wein mit Ambiente: Das Weinfestival der Delicatas zieht seit 2000 Weinbegeisterte in die Hauptstadt.
Wein mit Ambiente: Das Weinfestival der Delicatas zieht seit 2000 Weinbegeisterte in die Hauptstadt.

Ein Traumberuf, auf den er sich noch dazu äußerst gut versteht. Jede Minute unseres angeregten Gesprächs gleicht einer liebevoll aufgemachten Werbesendung für das maltesische Winzertum. Den Worten lässt Meekers selbstverständlich auch Taten folgen, und so lässt sich sein Credo vom exzellenten Malta-Wein bald schon auf der eigenen Zunge nachempfinden: Die kredenzten Weine überzeugen allesamt mit Vielfalt, handwerklicher Raffinesse, bodenständiger Tiefgründigkeit und der ein oder anderen, dezent gesetzten, Überraschung. Besonders stolz rückt der Weinkenner gleich zu Beginn die zwei autochthonen Sorten der Insel in den Mittelpunkt. Die grünen Trauben der Girgentina und die roten Beeren der Gellewza wachsen nur auf den maltesischen Inseln in ihrer ganzen Üppigkeit, die Grenzen des Mittelmeers haben sie dennoch schon lägst hinter sich gelassen. Auch weit über das Archipel hinweg heimsen die lokalen Erzeugnisse inzwischen glorreich glänzenden Ruhm bei diversen Prämierungen ein. Beim Degustieren des prickelnd ausgebauten Girgentina verfällt Georges Meekers dann beinahe ins Schwärmen: "Es mag sich seltsam anhören, aber ein guter Girgentina erinnert mich immer etwas an die berühmte maltesische Spitze (Maltese lace genannt; die Red.). Ähnlich wie das handgestickte Nationalprodukt ist auch dieser Wein sehr komplex, er setzt sich aus vielen Aromen zusammen, ist ein feines Gewebe und schwierig zu entschlüsseln." Viel Pathos für einen einzigen Wein, aber das Nationalgetränk macht sich tatsächlich ziemlich einzigartig im Glas. 

Doch die zwei indigenen Sorten sind nicht das einzige, was das reichhaltige Portfolio des Marktführers zu bieten hat: Delicata kooperiert mit mehr als 280 Winzern auf Malta und Gozo und kommt somit auf einen Ernteertrag von bis zu einer Millionen Kilo Trauben im Jahr. Die Kooperationspartner liefern den Ertrag der einzelnen Weinberge direkt an das hochmoderne Kelterzentrum der Delicatas in Valletta, wo im Jahr bis zu eine Millionen Flaschen mit rund 20 Rebsorten abgefüllt werden. Ein betrachtlicher Ertrag, wenn man die doch eher geringe Fläche Maltas berücksichtigt. Doch Meekers gibt sich, auch dem anhaltenden Bauboom gegenüber, zuversichtlich: "Unsere Kooperationspartner halten zu uns und die Fläche Maltas hat weiterhin viel Potenzial für uns. Wir nehmen unsere Partner wirklich an die Hand und sind viel mehr als nur eine klassische Genossenschaft." 

Nicht zuletzt sei es schließlich auch den Delicatas zu verdanken, dass Wein überhaupt wieder eine Rolle auf Malta spiele. Ähnlich wie in Württemberg begann nach den Weltkriegen ein fataler Exodus der Winzer auf Malta, nicht gerade viele Junge zeigten sich vom aufwendigen Erbe ihrer Vorfahren begeistert. "Wein war in den 50er-Jahren ein beinahe totes Geschäft auf Malta. Aber in den letzten zwanzig Jahren sind wir nun einen langen Weg gegangen. Das 'Vines-project' von Delicata, 1994 auf einer 1:1-Basis mit unseren Winzern vor Ort gestartet, hat dabei maßgeblich zur Renaissance des maltesischen Weins beigetragen."  

Ein Mann, der was von Wein versteht und einer, der gerne Wein trinkt: Georges Meekers und der Autor dieses Textes.
Ein Mann, der was von Wein versteht und einer, der gerne Wein trinkt: Georges Meekers und der Autor dieses Textes.

Auch auf Malta trinkt man seitdem lieber qualitativ hochwertige Tropfen mit weniger Ertrag und erfreut sich so einer zunehmenden Reichhaltigkeit. Georges Meekers' Stimme färbt sich tatsächlich ein wenig stolz, wenn er von den Entwicklungen der letzten Jahre berichtet: "Ja, auf Malta sind die klimatischen Bedingungen nicht gut und die Böden sind arm an Nährstoffen. Aber gerade die Lage im Mittelmeer, diese salzige Luft machen den ganz besonderen Charakter unserer Erzeugnisse aus. Natürlich produzieren wir hier nicht die großen Blockbuster der Weinwelt wie in Frankreich oder Italien. Aber Kenner wissen, dass es heutzutage auch sehr feine und elegante Weine auf Malta gibt. Wir haben eine große Vielfalt an Rebsorten, produzieren kleine Ausbringungsmengen und machen uns damit sicher zunehmend interessant für die Szene." 

 

Ein kraftvolles Schlusswort also, das Georges Meekers beim pittoreskem Blick auf den Hafen seinem heißgeliebten maltesischen Weinbau zukommen lässt. Wieder einmal scheint sich in diesem Gespräch ein Phänomen zu bewahrheiten, das an vielen verborgenen Ecken einer Definition des maltesischen Lebens gleichkommt: Von vielen wird das putzige Archipel im Mittelmeer weiterhin unterschätzt, in Vielem wird man immer eine Stufe kleiner unterwegs sein als die großen Player der Szene es sein können - eine Absage an Reichhaltigkeit und exzellenter Qualität ist das aber noch lange nicht. 

Besonders gilt das für solch wohlschmeckende Facetten wie dem Wein, bei dem es bei aller Handwerklichkeit am Ende vor allem auch auf eines ankommt: Das Herzblut und die Leidenschaft, die in jeder guten Flasche stecken und dank Georges Meekers im maltesischen Weinbusiness besonders reichhaltig vorzufinden sind.   

Mein herzlicher Dank für die Ideengebung zu diesem Beitrag gebührt Torsten Streib von der Cannstatter Zeitung.

Ohne seinem Urlaubstipp wäre ich auf Malta wohl kaum auf den lokalen "Wein-Geschmack" gekommen und wäre bis heute der schändlichen Meinung, südlich von Italien gäbe es keine ernstzunehmenden  europäischen Rebstöcke.  

Kommentar schreiben

Kommentare: 0