
Bald schon heißt es wieder Abschiednehmen: Noch bis Montagmorgen werde ich versuchen, jeden Hauch Londons in mich aufzusaugen, ehe es auf große England-Reise (Berichte werden folgen) geht. Mit dem nahenden Abschied wächst nicht nur die Vorfreude auf das, was noch kommt, sondern es mischt sich auch die Wehmut und die Erkenntnis in den Alltag, was für eine wunderbare Stadt ich zurücklassen muss.
London hat mir vor allem die Möglichkeit gegeben, einen (wie berichtet) aufschlussreichen Blick in die britische Arbeitswelt zu erhaschen. Aber London war noch viel mehr als nur das: Die Stadt hat mich liebevoll empfangen, in eine Melange aus britischer Freundlichkeit und englischen Kuriositäten eingebettet und mich ein ums andere Mal mit ihrer bunten Vielfalt überrascht. Es ist an der Zeit, sich nicht nur wieder und wieder in Lobeshymnen zu verlieren, sondern einen echten letzten Tribut an die Stadt an der Themse zu zollen: Ein letztes Mal möchte ich meine Leser zum Spaziergang durch die Stadt einladen - in drei Zitaten, die meine Zeit in der Hauptstadt am Besten beschreiben.
A man who is tired of London, is tired of life; for London has all that life can afford.
Samuel Johnson, brit. Schriftsteller und Gelehrter
Vielleicht das berühmteste Zitat zu London - und mit Sicherheit auch eines der wahrsten. Denn wer sowohl die landschaftliche Idylle des Regents Parks als auch die urbane Geschäftigkeit am Trafalgar Square erlebt hat, wer in Greenwich genauso umhergezogen ist wie am Londoner West End, wer der musealen Hochkultur genauso sehr wie der Liebe zum britischen Pub verfallen ist, weiß: London hat tatsächlich alles zu bieten, was das Herz begehrt. Eine Stadt hat natürlich immer mehrere Gesichter und auch andernorts wird man Stadtbezirke finden, die gänzlich aus dem urbanen Raster fallen. Und trotzdem erfüllt London das Bild eines sich stetig wandelnden Chamäleons für mich mehr als jede andere Großstadt, die ich kenne: Wo sonst ist es schon möglich, an einem Tag globale Hochkultur im britischen Museum zu erleben, an mondänen Villen in Kensington vorbeizuschlendern, (leider) auch die Armut der südlichen Bezirke zu sehen und trotzdem nie weit vom royalen Prunk der City of Westminster entfernt zu sein? Das gibt es nur in London - where one may find all that life can afford!

If you're curious, London's an amazing place.
David Bailey, brit. Fotograf
Ob ich nach einem langen Arbeitstag noch neugierig genug war, um diese Stadt wirklich in ihrer ganzen Fülle zu erleben, mag ich zu bezweifeln (und bedauere ich oft genug). Trotzdem habe ich in den vergangenen vier Wochen versucht, meiner Neugier genug Raum zu geben - allein war ich dabei ganz sicher nie: Die Touristenmassen, die sich am Wochenende durch die Londoner Straßen wälzen, sprechen für sich (und für die uneingeschränkte Rechtfertigung des Zitats). Auch wenn der Lärm dieser Massen, und der restlichen Stadt, oft genug Ablenkung boten, gibt es viele Ecken, in die man seine neugierige Nase in aller Ruhe stecken kann. Gut aufgehoben ist sie unter anderem in den Theatern des West End, in den dutzenden Museen und beim Schlendern über die zahlreichen Straßenmärkte, die besonders am Wochenende für urbane Zerstreuung sorgen. Ein letzter Ort der Neugierde trifft ganz besonders auf mich und den eigentlichen Zweck meiner England-Reise zu: Auch der Arbeitsplatz an sich war trotz mancher harter Stunden eine gute Gelegenheit, immer wieder voller Neugierde ins britische Leben "reinzuschnuppern" - das Ergebnis sind Erfahrungen und Erlebnisse, von denen ich hoffentlich noch lange zehren kann.

It is not the walls that make the city, but the people who live within them. The walls of London may be battered, but the spirit of the Londoner stands resolute and undismayed.
George VI, King of England
Der Vater der heutigen Queen Elizabeth II. mag vielleicht ein Kind des 20. Jahrhunderts gewesen sein und sein Zitat daher schon etwas an Alter auf dem Buckel haben - an Gültigkeit hat es trotzdem nichts eingebüßt. Auch wenn es schwer ist, in einer so kunterbunten Stadtgesellschaft "echte" Londoner auszumachen, treffen die Beschreibungen "resolut" und "unbeeindruckt" wohl am Besten auf sie zu; sowohl im Guten, als auch im Schlechten. Könige kamen und gingen, Herrscher schlugen sich vor ihren Augen die Köpfe ein, ein zerstörerischer Weltkrieg wütete über der Stadt und verwüstete beinahe ihre ganze Seele - der Londoner aber hat all das stoisch überstanden.
Noch viel wichtiger an diesem Zitat ist mir allerdings die Aussage, dass nicht die Mauern selbst eine Stadt ausmachen, sondern die Menschen, die in ihnen leben. An dieser Stelle kann ich nur zustimmend mit dem Kopf nicken und meine ganz eigenen Dankesworte an all diejenigen anschließen, die meine Zeit in London so besonders gemacht haben: Meine Kollegen auf Arbeit, die Gemeinde um die Kirche in Spitalfields (inklusive meinem alten Schulfreund Tobias, bei dem ich mich über das vertraute Wiedersehen vor fremder Kulisse besonders gefreut habe), die Tourguides in Museen und auf den Straßen, ja sogar die morgendlichen Plattformansager der London Underground, die jeden Morgen ein Stück weit besser machten. Danke an diese Vorzeige-Londoner! Danke, dass ihr noch viel besser als die Mauern eurer Stadt gewesen seid!
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Rita (Donnerstag, 21 November 2019 22:21)
Schön dass du so viele tolle Eindrücke von London erfahren hast! Ich bin schon neugierig auf das, was du weiterhin entdecken wirst.