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Hat der 'nen Knall?

Richard Micallef und "sein Baby": In der Feuerwerkfabrik von Zebbug fertigt er tausend dieser lautstarken Feuerwerkskörper im Jahr an.
Richard Micallef und "sein Baby": In der Feuerwerkfabrik von Zebbug fertigt er tausend dieser lautstarken Feuerwerkskörper im Jahr an.

Vier Hütten hinter hohen Mauern, ein eisernes Tor am Eingang, zwei drollige Hunde und ganz viel Schwarzpulver in großen Kisten - so in etwa sieht es aus, das kleine explosive Reich des Richard Micallef. Der Mittvierziger mit den glatt geschorenen Haaren und den wilden Tatoos auf dem sportlichen Körper verbringt manchmal ganze Tage und Wochen in ebendiesem Reich, eigentlich würde er am Liebsten hier schlafen können, wie er unumwunden zugibt. "Aber das würde meine Frau am anderen Ende der Insel nicht so gut finden", schiebt er dann schuldbewusst hintendrein und lacht. Seine eine große Liebe möchte er für die andere große, leicht entflammbare, Leidenschaft also nicht aufgeben. Und trotzdem sagt er mit leuchtenden Augen: "Feuerwerke zu produzieren ist nicht nur irgendein Ding, das muss man leben können."

Stolz posiert Richard Micallef mit einem Teil seiner Jahresausbeute für die Kamera. Foto: Richard Micallef privat
Stolz posiert Richard Micallef mit einem Teil seiner Jahresausbeute für die Kamera. Foto: Richard Micallef privat

Richard Micallef lebt die maltesische Tradition der Feuerwerkerei nun schon seit seinem achtzehnten Lebensjahr mit jeder Faser seines Körpers, seit mehr als zwölf Jahren praktiziert er sie am Stadtrand von Zebbug unter dem Dach der 12th May Fireworks Factory. Die kleine Firma wird vom lokalen Festkommitee des Heiligen Phillip unterhalten, eines der dutzenden Heiligenfeste, die jedes Jahr an den Küsten Maltas für Feierlaune sorgen. Der Ablauf der einst erzkatholischen Feierlichkeiten ähnelt sich dabei teils bis ins kleinste Detail: Begonnen wird mit den traditionellen Heiligenprozessionen durch die Gassen des jeweiligen Dorfes, es folgt eine opulente musikalische Umrahmung und die geselligen Straßenpartys, ehe Richard Micallef oder ähnlich Feuerwerkbegeiserte dem Ganzen die Krone aufsetzen. Kein Dorf, keine Stadt und erst recht keines der zahlreichen Feste im Sommer kommt ohne prächtig knallende Farben am Himmel aus. Schon den Malteserrittern wird der Hang zur Massenpryomanie nachgesagt, so richtig aufleben tut das Farbenspektakel schlechthin aber erst seit seiner Renaissance nach den Weltkriegen. Auch im Sommer 2019 ist es nicht unüblich, aus jeder Ecke ohrenbetäubenden Lärm zu hören, der einem bis spät in die Nacht den Schlaf rauben kann: Die Malteser können einfach nicht ohne ihr Feuerwerk - Klimawandel hin oder her.   

Einblick in ein explosives Inneres: Die Speicherbestände der 12th May Fireworks Factory in Zebbug, Malta.
Einblick in ein explosives Inneres: Die Speicherbestände der 12th May Fireworks Factory in Zebbug, Malta.

Ein ganzes Jahr braucht Richard Micallef, um die prächtig strahlenden Feuerwerkskörper vorzubereiten. Dabei geschieht alles auf absolut ehrenamtlicher Basis: Mit der Feuerwerkerei verdient Micallef nur etwas Geld, weil er gleichzeitig auch über die ganze Insel verteilt professionelle Shows anbietet und mit veranstaltet. Die Arbeiten für die 12th May Fireworks Factory hingegen, die das jährliche Fest Zebbugs im Juni in Eigenregie verantwortet, gelten schlicht der Liebe wegen. Keinen Cent trägt der ehemalige maltesische Soldat, der sich im Veteranen-Ruhestand befindet, nach Hause. Dafür sind es vom Schwarzpulver geschwärzte Hände und ein zufriedenes Lächeln, wenn er ehrfürchtig die langen Regalreihen im Lager seiner Herzensfirma betrachtet. Die liegen hinter einem hohen Schutzwall gut gesichert im letzten Eck der Firma und sind jetzt, im frühen August, beinahe komplett geleert. Die Jahresproduktion wurde beim diesjährigen Fest so gut wie verpulvert, nur einige wenige Blindgänger und Überschussraketen warten noch auf ihren verspäteten Einsatz im nächsten Jahr.   

Aufbau in progress: Bis zu eine Woche kann es dauern, bevor die großen Feuerwerke als Highlight der lokalen Feste bereit stehen.
Aufbau in progress: Bis zu eine Woche kann es dauern, bevor die großen Feuerwerke als Highlight der lokalen Feste bereit stehen.

Auch Richard Micallef konnte wieder einige ohrenbetäubende Kracher dem reichhaltigen Repertoire hinzufügen. Der Mittvierziger mag es bei seinen kunstvollen Projekten gerne etwas einfacher, dafür laut und lässig: "Ich bevorzuge es, Feuerwerke am Tag zu zünden und wenn, dann welche, die besonders laut krachen." Für die zeichnet er sich besonders gern verantwortlich - aber auch sonst mischt er an vielen Ecken des weitläufigen Firmengeländes mit. Nur das Schwarzpulver rührt er vor Fertigstellung ungern an: Ein Heidenrespekt hat er vor denen, die das hochexplosive Grundmaterial jedes Feuerwerks zusammenstellen. "Respekt, das muss man schon haben. Angst habe ich aber nach so vielen Jahren keine mehr", erklärt sich Micallef zur dunklen Seite seiner Obsession. Bösartige Unfälle gibt es oft genug in der maltesischen Pyrobranche. Stumm deutet Micallef bei dieser heiklen Frage auf eine sichtbar neuere Steinhütte am Rande des kleinen Firmendorfs. Vor wenigen Jahren sei es hier zur großen Explosion gekommen, eine sträflich in Kauf genommene Unachtsamkeit war der Auslöser. Mehr möchte der Experte dazu nicht sagen. Man merkt ihm an, wie schwer ihn der täglich drohende Abgrund seines Hobbys trifft.   

Maltesische Feuerwerkskultur wie sie leibt und lebt: Ein guter Teil des Jahrespensums von Richard Micallef, das es im Juni an den Himmel gebracht hat.
Maltesische Feuerwerkskultur wie sie leibt und lebt: Ein guter Teil des Jahrespensums von Richard Micallef, das es im Juni an den Himmel gebracht hat.

Lebhafter wird die Feuerwerkskoryphäe dann wieder bei seinem Lieblingsthema: Wenn es um die tausenden Arten der verfeuerten Feuerwerkskörper geht, die er im Fundus hat und aus denen er Jahr für Jahr neue atemberaubende Shows im Wert von mehreren tausend Euros bastelt, legt das Feuerwerk in seinen Augen so richtig los. Ausgelernt, sagt er, habe er trotzdem nie: "Pyrotechnik ist eine Lebensaufgabe, jedes Jahr lerne ich neue Techniken und Farben. Vieles kommt einem auch beim Experimentieren auf dem Gelände." Seine Pensionszeit hat er schon fest der Pyrotechnik verschrieben, für ihn gehört die feurig maltesische Tradition zum Jahreszyklus wie für manch anderen die Jahreszeiten. An Richard Micallef und seinen "explosiven" Freunden wird die Tradition der Inseln daher nicht scheitern. Deutlich sorgenvoller schaut der Feuerwerkliebhaber jedoch in die ferne Zukunft, die bestenfalls von nachfolgenden Generationen befeuert werden sollte. Genau da scheint etwas ins Stocken zu geraten: "Feuerwerke gehören für die Jungen nicht mehr unbedingt zur Folklore ihres Landes. Für mich war es immer ein Teil meines Lebens und eine gewisse Selbstverständlichkeit, aber das hat sich gewandelt. Wir werden sehen, wohin das zukünftig noch gehen wird." 

 

Für den Moment bleiben Richard Micallef und seine Kollegen der 12th May Fireworks Factory in Zebbug jedoch unaufhaltsam die Sterne am lokalen Feuerwerkhimmel. Bald schon beginnen hinter den hohen Mauern und dem eisernen Tor, unter Beobachtung der zwei drolligen Hunde und mit Hilfe des eifrig angereicherten Schwarzpulvers, wieder die Vorbereitungen für 2020. Eins steht fest: Auch im nächsten Juni wird Zebbug wieder knallend in allen Farben aufleuchten.